Stille: Mit dem Herzen hören
In seinem Buch „In der Weite des Himmels“ erzählt Pierre Stutz von den Tagebucheinträgen von Etty Hillesum, die mit knapp 30 Jahren in Ausschwitz ermordet wurde. In ihren Gedanken schreibt sie vom denkenden Herz.
„Horche auf das, was in einem selbst quillt…Die einzige Gewissheit, wie du leben sollst und was du tun musst, kann nur aus dem Brunnen aufsteigen, der aus deiner eigenen Tiefe quillt…“
Der Benediktinermönch Br. David Steindl-Rast schreibt:
„Wenn wir mit dem Herzen horchen, werden wir Sinn finden. Denn so wie das Auge Licht wahrnimmt und das Ohr Geräusche, ist das Herz das Organ für Sinn.“
(David Steindl-Rast, Einfach leben – dankbar leben, Freiburg/Breisgau 2014)
Der Weg zu uns selbst, zu unserer innersten Wahrheit führt also über das Hören. Dies gelingt besonders gut in…
Stille
Manchmal berührt die Natur das Herz, z. B. in der Stille auf einem Berg, in der stillen Wahrnehmung eines Baumes. In dieser Stille kann man sein eigenes „Gerufen-werden“ hören. In der Stille unseres Herzens ist Gottesbegegnung möglich. Das ist die Tür zum Wesen eines Menschen.
„Es gibt viele Arten von Lärm, aber nur eine Stille“ (K. Tucholsky)
SO WIE SCHMUTZ DEM KÖRPER SCHADET, SO SCHADET LÄRM DEM GEIST.
Wir sollten Klang-empfindlicher werden! Lärm hängt mit dem Wort Alarm zusammen. „A l’arme“ (frz.) bedeutet so viel wie „an die Waffen“. Lärm ist lt. einer WHO-Studie eine der größten gesundheitlichen Belastungen unserer Zeit.
STILLE IST EINE RESSOURCE!
2 Minuten in Stille ist entspannender als angenehme Musik und füllt die geistigen Ressourcen auf. Stille hat auch eine positive Wirkung für andere: Die Empathie für andere steigt. Gemeinsames Schweigen kann geteilte Erfahrungen vertiefen, die einfache wortlose Präsenz kann hilfreich und heilend sein.
WAS BLOCKIERT MEINE INNERE STILLE?
Zum einen die Kultur einer permanenten Ablenkung, zum anderen unser Alltagsgedanken und –sorgen.
Stille – das ist mehr als nur nicht reden. Stille heißt auch „nicht denken“. Diese Form der achtsamen Meditation ist wohl eine der schwersten:
Im Nichtstun nichts denken, denn der Geist ist unruhig und Gedanken tragen uns immer wieder fort hin zu dem, das war oder was noch sein wird.
Hilfreich ist auch, bei einer Meditation den Geist zu „füttern“ (z. B. mit der Konzentration auf den Atem oder einem Mantra), um ihm ein wenig „Futter“ zu geben und den Gedankenstrom zu unterbrechen.
Vom Hören und Zuhören
Von all unseren Sinnen verlassen wir uns im Alltag hauptsächlich auf unseren Sehsinn. Wir nehmen unsere Umwelt vielfach durch unsere Augen wahr. Dabei ist es unser Gehörsinn, der schon vor unserer Geburt im Mutterleib funktioniert. Etwa ab dem 7. Schwangerschaftsmonat nimmt ein Baby Geräusche bewusst wahr. So erkennt es Stimmen, Herztöne, das Rauschen des Blutes. Nach der Geburt sind ihm die Stimmen, die es schon vorher gehört hat, vertraut. Auch wenn es die Sprache noch nicht beherrscht, kann es doch aus der Stimmlage vieles heraushören und fühlen. Diese Fähigkeit besitzen wir auch noch als Erwachsene, wir verlassen uns nur immer mehr auf das Gesehene, als auf das Gehörte.
Es lohnt sich aber, uns immer wieder einmal auf unsere Fähigkeit zu hören zu konzentrieren.
Wenn wir hier vom Hören reden, dann beziehen wir uns auf die Bedeutung von zuhören, hinhören. Jenes Hören, wo das Gehörte nicht nur ins Gehirn, sondern auch zum Herzen wandert.
Zuhören braucht Zeit. Zeit haben heißt: Gut im Augenblick zu sein.
Mit dem Herzen hören.
Das meint den Blick bewusst nach Innen richten. Ein beschauliches Betrachten aus dem Herzen mit allen Sinnen. Über die Sinne finde ich Sinn. Vertieft wird der Weg der Wahrnehmung durch das Hören und das Schauen mit dem inneren Auge und Ohr.
Spitze die Ohren!
Im ersten Teil liegt unser Fokus auf der Grundhaltung des achtsamen Hörens. Hören ist ein Aufmachen, ein sich öffnen, wie wenn eine Tür aufgeht.
Vertrauensvoll leben heißt, seinen Weg gehen, auf dem Weg bleiben. Um zu wachsen muss man in Bewegung bleiben. Gehen ist eine gute Übung für Bewusstsein und Achtsamkeit (deshalb gibt es die Kreuzgänge in den Klöstern, deshalb pilgern die Menschen).
Übung: Sich hörend auf den Weg machen
Hinausgehen und bewusst hören:
- Was höre ich rund um mich?
- Was höre ich an mir, wenn ich gehe?
- Was höre ich in mir?
„Das Ohr, das nach innen hört“ (Melanie Wolfers)
Jede/r lebt mit dem Bedürfnis, bejahen zu können, wie man sein eigenes Leben gestaltet. Deshalb ist es wichtig, gut mit sich selbst in Kontakt zu stehen, zu spüren:
- wer bin ich,
- was kann ich,
- was will ich,
- worauf kommt es mir an,
- mit wem will ich meine Zeit verbringen,
- wofür will ich mich einsetzen?
Wenn man in Übereinstimmung mit den eigenen Werten lebt, hat man nicht das Gefühl, wie ein Tourist durchs eigene Leben zu gehen. Nichts ist schlimmer, als von anderen gelebt zu werden, anstatt selbst aktiv zu leben.
Es gibt nur leider einen Stolperstein: Der Wunsch, dazu zu gehören. Dieser Wunsch gehört wie die Angst zum Menschsein dazu. Ohne Gemeinschaft können wir nicht überleben. Wir brauchen Verbundenheit.
Viele erleben aber heutzutage das Gefühl der Isolation. Aber das Bedürfnis nach Verbundenheit kann so stark werden, dass es dazu verleitet zu sehr im Außen zu leben. Der Mensch orientiert sich sehr stark danach, was in seiner Gruppe angesagt ist und passt sich dementsprechend an, um zur Gruppe dazu zu gehören.
Wir haben 2 (Paar) Ohren:
Ein Paar für das Außen (wir leben in einem bestimmten Umfeld, in Beziehungen, in denen wir uns auf einander abstimmen müssen) und eines für das eigene Innere.
Wenn wir zu viel Augenmerk auf das Ohr legen, das sich an äußeren Ansprüchen und Erwartungen, die an mich gerichtet sind, orientiert, wird es zu groß. Dann hören wir nicht mehr ausreichend auf uns selbst. Viele laufen mit einem riesigen Aussenohr herum, aber das Hören nach Innen verkümmert.
Nach innen hören bedeutet auch, wahrzunehmen, was Ereignisse in einem auslösen, das Wahrnehmen von Schwingungen, Gefühlen, Wahrzunehmen, worauf kommt es mir wirklich an.
Wenn diese Balance gestört ist, passen wir uns leider gerne viel zu schnell an die Erwartungen der anderen an. Anpassung ist aber keine echte Verbundenheit. Leben wir angepasst, äußern wir keine eigene Meinung, sondern reden einem anderen nach dem Mund. Anpassung fördert nicht die Zugehörigkeit, denn sie ist nicht authentisch.
Wollen wir ein Leben nach unseren Ansprüchen führen, so braucht das Mut und Kraft.
Mut, sich nicht immer nach anderen zu richten, auch mal „Nein“ zu sagen und Kraft, die Enttäuschung von anderen diesbezüglich in Kauf zu nehmen, wenn wir nicht ständig den Ansprüchen anderer gerecht werden und stattdessen eigene Freiräume für uns zu beanspruchen.
„Strebe nach Ruhe, aber durch das Gleichgewicht, nicht durch den Stillstand deiner Tätigkeit.“ (Friedrich von Schiller)
Dein Weg nach innen
„Sinn findet der Mensch, wenn sein Herz zur Ruhe gekommen ist.“ (Bruder David Steindl-Rast)
Finde in der Stille den Weg zur deiner eigenen Mitte.
Finde durch die Kraft des Schweigens den Weg, in dir zu ruhen.
Finde durch die Weite des Herzens und die innere Ruhe den Weg, mit dem göttlichen Urgrund in Berührung zu kommen.
Dieser Weg nach innen ist prozesshaft und will immer wieder eingeübt werden. Dadurch erschließt sich uns die Fülle des Seins und neue Kraft entsteht.
Übung: Höre die Antworten auf diese Fragen in der Stille:
- Wer bin ich in meinem tiefsten Grund?
- Was ist meine innerste Wahrheit aus heutiger Sicht?
- Wann kann ich gut auf mich hören? Wo gelingt mir das schlechter?
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